DoE – Happen #020:
DoE-Bereiche 1/6 Pre-Screening
Willkommen zu einem weiteren spannenden Eintrag in unserem „DoE-Happen“-Blog! Nachdem wir im letzten Blog #19 das DoE-Feld grob eingeteilt hatten in sechs Bereiche der DoE-Anwendungen, möchte ich heute den ersten der sechs Teilbereiche, das „Pre-Screening“, etwas näher vorstellen und dessen Bedeutung hervorheben.
Doch bevor wir in die Details gehen, lassen Sie mich noch schnell „Heinz“ vorstellen. Heinz ist ein imaginärer Student, den wir bereits in unserem vorherigen Blogpost auf seinem Fahrrad in der Zeichnung gesehen haben. Er wird uns in den kommenden Blogs begleiten, so wie er es auch in meinen Schulungen und Trainings tut, wo er stets ein wertvoller didaktischer Impulsgeber ist. In Unternehmen übernimmt er oft Aufgaben, die darauf abzielen, etwas zu untersuchen, zu verbessern oder sich im Troubleshooting-Prozess zu engagieren.
In unserem Beispiel könnte dies bedeuten, dass unser Student Heinz gerade in einer Firma ein neues Projekt zugeteilt bekommt. Hierbei soll er die optimale Menge an Katalysator herausfinden, die einer Polymerlösung zugesetzt werden soll. Ihm wird erklärt, dass der Katalysator 100-mal so viel kostet wie die Polymerlösung und deshalb nur in homöopathischen Dosen zugesetzt werden soll. Da Heinz weiß, worauf es ankommt, hinterfragt er das „Warum“ und „Wieso“ gleich zu Anfang und kann den Prozess daher schnell einordnen. In einer Vorstufe „gelb“ des Prozesses soll die Polymerlösung möglichst flüssig sein, während zu einem späteren Prozessschritt „orange“ die Formulierung durch Zugabe des Katalysators zu einem Gel vernetzt werden soll.
Um dies zu erreichen, kann Heinz schnell das Diagramm aufzeichnen, in dem er die wichtigsten Elemente für die Untersuchung berücksichtigt.
Diese wären:
- Die Achsenbeschriftung: Hier setzt Heinz an die y-Achse die Zielgröße, die Viskosität, und an die X-Achse den Faktor Katalysator.
- Die Spezifikation: Als nächstes zeichnet Heinz die obere und untere Grenze der Spezifikation ein.
- Rahmenbedingungen: Hier sind es gleich mehrere Elemente, zum einen die „Baseline“, also die Grundviskosität, die die Polymerformulierung hat, bevor Ihr Katalysator zugegeben wird, und zum anderen die technischen Grenzen mit der zu hinterfragenden Mindestmenge an Katalysator und der maximalen Menge, die sich durch wirtschaftliche Aspekte definiert.
- Die Baseline: Die Grundviskosität ist für Heinz so wichtig, damit er eine Referenz hat, um den Effekt seiner Katalysator-Zugabe feststellen zu können.
Versuchsfolge und Erkenntnisse
Nachdem dies geklärt ist, macht Heinz die folgenden Versuche, die mit den grünen Sternen und einem Pfeil, der die Reihenfolge angibt, gekennzeichnet sind.
- Wie wahrscheinlich die meisten, fängt Heinz mit der „low-hanging fruit“ Lösung an. Er versucht mit so wenig Aufwand wie möglich das meiste aus dem Prozess herauszuholen.
- Natürlich gelingt ihm das nicht (sonst wäre ja mein schönes Beispiel schon zu Ende), und Heinz setzt sich auf die obere maximale wirtschaftliche Grenze mit dem nächsten Versuch. Er ist sichtlich enttäuscht, dass die Grenzen hier zu keinem vernünftigen Ergebnis führen, und kontaktiert den Zulieferer. Der erklärt ihm, dass der Katalysator teuer ist und nur in Spuren in der Katalysatorlösung enthalten ist, mit ca. 1%, so dass 99% in Anführungszeichen nur der Verdünnung dienen.
- Daher setzt Heinz einen Versuch in die Mitte und merkt, er ist „over the top“, also er übererfüllt seine Prozessanforderungen.
- Das gefällt ihm, so dass er nochmals die Mitte zwischen dem ersten und dritten Versuch wählt und hat damit auch schon die groben Grenzen gefunden, die für eine sinnvolle Untersuchung des Sachverhalts notwendig sind …. und genau dies ist ja die Aufgabe von Vorversuchen, dem „Pre-Screening“.
- Fassen wir noch mal zusammen: Wir sind im Bereich der Vorversuche und wollen für einzelne Faktoren die richtigen Variationsgrenzen bestimmen. Dafür schätzen wir mögliche Grenzen und testen diese aus. Sind die Grenzen zu groß gewählt, so sind wir im Bereich der Weltformel und bräuchten somit auch mindestens die gleiche komplizierte Mathematik. Weil uns das aber schlichtweg nicht interessiert, wo etwas noch nicht funktioniert und wo es nicht mehr funktioniert bzw. nicht zielführend ist, wollen wir unsere Untersuchungsgrenzen pragmatisch setzen.
- Dabei hat Heinz festgestellt, dass der Verlauf der Viskosität nicht einem linearen Zusammenhang folgt, sondern eher einer S-Kurve. Hierbei ist jedoch nur ein kleiner Beobachtungsteil für Heinz von Bedeutung, nämlich der, in dem die Grenzen einigermaßen erfüllt sind, +/- ein bisschen über den Tellerrand geschaut. Dieser Bereich ist dann auch in großer Näherung linear beschreibbar und wird den zukünftigen Betrachtungen der aufbauenden Kapitel darstellen. In der Grafik ist dieser blau hinterlegt.
- Für diesen Blog haben wir nun den Bereich eingekreist, der für unsere weitere Versuchsplanung von Bedeutung ist. Alles darüber hinaus bräuchte viele Experimente oder Stützstellen mehr, um adäquat beschrieben werden zu können. Diese brauchen wir jedoch aus wirtschaftlicher Sicht nicht weiter betrachten, weshalb wir darauf natürlich gerne verzichten!
Somit können wir die Ziele des „Pre Screenings“ noch mal entsprechend zusammenfassen.
Phase: Das Pre-Screening befasst sich mit Situationen, in denen oft nur begrenzte Informationen über den Prozess oder das endgültige Produkt verfügbar sind. Häufig sind nicht alle Variablen und Faktoren bekannt, geschweige denn deren praktische Anwendung im Zusammenhang mit den Prozessen oder die genaue Untersuchung der Zielgrößen hinsichtlich ihrer Messbarkeit und Aussagekraft.
Vorgehensweise: In dieser Phase ist das Hauptziel, wichtige Parameter und Variablen zu identifizieren, die den Prozess möglicherweise sogar maßgeblich oder dominant beeinflussen. Gleichzeitig ist es wichtig sicherzustellen, dass diese Parameter in den nachfolgenden Schritten in einem angemessenen Bereich variiert werden. Darüber hinaus versuchen wir, weitere Parameter zu identifizieren, die möglicherweise ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Prozesses haben, aber bisher von den dominanten Faktoren überlagert werden. In dieser Phase liegt der Fokus in der Regel nicht auf der genauen Bestimmung der individuellen Effekte der Faktoren, sondern vielmehr darauf, sicherzustellen, dass die richtigen Faktoren in den folgenden Schritten in einem angemessenen Bereich untersucht werden können.
Aufwand: Aufwand: Das Pre-Screening zeichnet sich durch die Untersuchung vieler Faktoren bei relativ wenigen Versuchen aus. In dieser Phase werden lineare Einflüsse der Faktoren und Variablen untersucht, um die richtigen Faktoren für den optimalen Variationsbereich zu identifizieren. Ziel ist es, Ressourcen und Zeit nicht unnötig in Bereichen zu investieren, die in dieser Phase nicht zielführend sind.
Natürlich… Sicherlich haben Sie es bemerkt, DoE beginnt erst mit zwei Faktoren doch für die Herleitung des Variationsbereiches eines Faktors wollte ich dies nicht komplizierter machen als nötig, um Ihnen diesen Sachverhalt leicht verständlich darzustellen. Im nächsten Blog Beitrag werden wir das nachholen und auch grundlegende Designs hierzu visuell vorstellen.
Vielen Dank für Ihr Interesse und bis bald!
Ihr DFSS und DoE Experte
Stefan Moser
Wenn Sie möchten, kommentieren Sie gerne die folgende Frage:
Wenn Sie ganz ich im rechten Teil des Diagrammes Versuche durchführen, werde ich bei der Untersuchung der Variabel „Katalysator“ feststellen, dass diese in diesem Bereich keinen Effekt hat. Ist das richtig oder falsch? 😊
Ich freue mich auf Ihre Gedanken und Kommentare zu diesem Thema. Teilen Sie Ihre Erfahrungen und lernen und argumentieren wir gemeinsam.
Bis zum nächsten Mal,
Ihr DoE-Experte & Coach
Stefan Moser