DoE-Happen #32 – Ausreißer methodisch erkennen und interpretieren I : Faktoren

    Hallo liebe DoE-Enthusiasten,

    In dieser Blog-Unter-Serie möchte ich ein Thema ansprechen, das oft unterschätzt und gerne vernachlässigt wird: Ausreißer. Sie können zu unterschiedlichen Fehlinterpretationen führen und stellen in der Versuchsplanung sowohl eine spannende als auch herausfordernde Komponente dar.

    Darstellung Ausreißer aus Faktoren und Zielgrößen

    Die Versuchsplanung bietet verschiedene Ansätze zur Identifizierung von Ausreißern, die jeweils aus unterschiedlichen Blickwinkeln wertvolle Einsichten liefern. Dabei lassen sich Ausreißer grob in zwei Kategorien einteilen: Ausreißer bei den unabhängigen Variablen (Einflussfaktoren) und Ausreißer bei den abhängigen Variablen (Zielgrößen). Beide Arten von Ausreißern können die Interpretation der Ergebnisse erheblich beeinflussen und erfordern daher eine sorgfältige Analyse und Berücksichtigung im Versuchsplan.

    Darstellung Ausreißer aus Faktoren und Zielgrößen 2

    In dieser Blog-Unter-Serie widmen wir uns zunächst der ersten Kategorie: den Einflussfaktoren und den Abweichungen, die innerhalb eines Versuchsplans auftreten können. Für diejenigen, die diesen Blog zum ersten Mal lesen, gibt es hier eine kurze Auffrischung der Grundlagen, die erfahrene Versuchsplaner gerne überspringen können:

    • Faktoren oder Variablen werden innerhalb der Versuchsplanung unabhängig voneinander variiert, um deren Effekt auf eine oder mehrere Zielgrößen abzuleiten. Diese gezielte Variation ermöglicht es, die Beziehungen zwischen den Faktoren und den resultierenden Ergebnissen systematisch zu untersuchen und zu verstehen.
    Verschieden Effekte in der DoE
    • Der Effekt ist die Veränderung in einer Zielgröße, die sich durch die Variation eines Faktors ergibt, wenn man diesen von einem niedrigen auf ein hohes Level anhebt.
    • Dabei ist es wichtig zu beachten, dass sich sowohl lineare als auch nichtlineare Effekte summieren können. Lineare Effekte sind proportional zur Veränderung des Faktors, während nichtlineare Effekte komplexere Beziehungen darstellen, die beispielsweise durch quadratische oder in Ausnahmefällen auch kubische Terme beschrieben werden. Diese Kombination von Effekten kann zu einer komplexen Reaktion der Zielgröße führen, die sorgfältig analysiert werden muss, um präzise Schlussfolgerungen zu ziehen.
    Darstellung der Level und Symmetrie in der DoE
    • Normierung: In der grundlegenden Versuchsplanung werden alle Faktoren auf zwei Level (-1 = niedrig, 1 = hoch) normiert. Diese Normierung erlaubt es, die Faktoren unabhängig von ihren Einheiten zu betrachten und miteinander zu vergleichen. Durch diese Standardisierung wird die Analyse vereinfacht und ermöglicht es, die Effekte der Faktoren direkt zu vergleichen, ohne durch unterschiedliche Maßstäbe beeinflusst zu werden.
    Schematisch Versuchsplan und Versuchsplan seinen unabhängigen Level sowie Versuchsplan mit Verzerrung der Faktorstufen Einstellungen

    Im voranstehenden Schema zeigt jeder orangene Punkt eine Abweichung von zwei Faktoren gegenüber dem ursprünglichen Design. Solche Abweichungen können darauf hindeuten, dass die Orthogonalität des Versuchsplans beeinträchtigt wurde, was potenziell zu verzerrten Ergebnissen führen kann. Die gelben und grünen Punkte repräsentieren jeweils die unabhängigen Faktorstufen und verdeutlichen die vorgesehenen Einstellungen im Design. Indem Sie die Positionen dieser Punkte beobachten, können Sie schnell erkennen, wo und wie stark das ursprüngliche Design von den geplanten Faktoren abweicht. Eine solche Verzerrung kann dazu führen, dass die Effekte der Faktoren nicht mehr korrekt geschätzt werden können, was die Aussagekraft des gesamten Experiments beeinträchtigt.

    Versuchsplan mit Kennzeichnung eines Faktorausreißers

    In moderner Versuchsplanungssoftware könnte dies in der Versuchstabelle so vereinfacht dargestellt sein, dass signifikante Abweichungen der Faktoren durch rote Zahlen hervorgehoben werden. Oder farbig hinterlegt werden.

    Kleinere Abweichungen

    In der Regel kann die Versuchsplanung kleinere Abweichungen vom ursprünglichen Versuchsplan gut verkraften. Solche geringfügigen Abweichungen beeinflussen die Berechnungen und die Interpretation der Ergebnisse meist nur minimal. Es sind vor allem größere Abweichungen, die den Versuchsraum im Sinne der ursprünglichen Skalierung und Normierung verzerren und dadurch die Berechnung der unabhängigen Faktoreffekte beeinträchtigen können. Diese größeren Abweichungen können die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse erheblich mindern, weshalb es wichtig ist, sie frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren.

    Minimierung von Verzerrungen: Um Verzerrungen in den Ergebnissen so gering wie möglich zu halten, werden in der Versuchsplanung spezielle Algorithmen eingesetzt. Diese Algorithmen helfen dabei, die Aufteilung der Faktoren mit jeweils zwei Ausprägungen (Leveln) so ausgewogen und symmetrisch wie möglich zu gestalten. Dies stellt sicher, dass die Experimente repräsentativ sind und die Orthogonalität des Designs – also die Unabhängigkeit der Faktorvariationen – gewahrt bleibt. Hier leitet sich übrigens das „Design in Design of Experiments ab, das für die strukturierte Architektur steht, mit der die Versuchspläne aufgebaut werden.

    Mindmap mit einigen Möglichkeiten für Ausreißer in den Faktor – Settings

    Trotz größter Sorgfalt kann es natürlich vorkommen, dass die ursprünglichen Einstellungen der Faktoren aus dem Versuchsplan nicht exakt eingehalten werden können. Die Ursachen dafür können vielfältig sein, wie im voranstehenden Mindmap dargestellt. Natürlich ist diese Darstellung nicht vollständig – wenn Sie eigene, besonders eindrucksvolle Beispiele für solche Abweichungen haben, senden Sie sie mir gerne zu. Ich bastle daraus für einen kommenden Blog eine Wort-Wolke.

    Korrelation und Effekte

    Vielleicht kommt Ihnen der Ansatz der einheitslosen Faktoren bekannt vor – er wird auch in der multivariaten Datenanalyse verwendet, um verschiedene Einflussgrößen gemeinsam zu visualisieren. Dort spricht man jedoch von Korrelation. In der Versuchsplanung, wo wir mehrere Faktoren unabhängig voneinander variieren, um ihre Effekte zu studieren, ist es entscheidend, die Unabhängigkeit dieser Faktoren zu gewährleisten. Die Effekte in der Versuchsplanung entsprechen dabei dem Doppelten eines Koeffizienten, und dieser Koeffizient ist durch die Skalierung dem Korrelationskoeffizienten ähnlich.

    Versuchsplan schematisch mit Korrelationsmatrix

    Verzerrungen im Versuchsraum lassen sich auch durch die Analyse der Korrelationsmatrix der Faktoren erkennen. Wenn die Korrelationskoeffizienten nahe dem absoluten Wert 1 liegen, deutet dies auf eine starke Korrelation zwischen den Faktoren hin, was auf eine potenzielle Verzerrung im Versuchsplan hindeutet. Solche Korrelationen werden oft rot markiert, um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken.

    Im Idealfall sollte die Korrelationsmatrix keine bis geringe Korrelationen zwischen den Faktoren aufweisen, was bedeutet, dass die Faktoren unabhängig voneinander variieren. Diese Unabhängigkeit ist entscheidend für die Orthogonalität des Versuchsplans und stellt sicher, dass die Effekte der einzelnen Faktoren präzise und ohne Beeinflussung durch andere Faktoren geschätzt werden können.

    Eine optimal eingefärbte Korrelationsmatrix zeigt an, dass die Experimente gleichmäßig über die verschiedenen Level der Faktoren verteilt sind und dass die Schätzungen der Effekte nicht durch Korrelationen verzerrt werden. Dadurch wird die Aussagekraft der Experimente maximiert, und die Ergebnisse bleiben robust und verlässlich.

    Hinweis zu den Center Points in einem einfachen 2 Faktor Design

    Sicherlich haben Sie die Experimente bemerkt, die eine mittlere Einstellung repräsentieren – die sogenannten Center-Points. Diese Versuche sind äußerst wertvoll, da sie dazu dienen, die Wiederholgenauigkeit der Experimente zu überprüfen und mögliche Nichtlinearitäten in den Daten zu identifizieren. Eine ausführliche Erläuterung zu Center-Points und deren Bedeutung finden Sie in meinen vorangegangenen Blogs, die Sie gerne auf meiner Webseite www.stefan-moser.com in der Kategorie „Blog“ nachlesen können.

    Im nächsten Blogbeitrag werden wir uns mit der Qualität des Designs beschäftigen und weitere wichtige Aspekte im Zusammenhang mit Ausreißern beleuchten. Ich hoffe, dieser Beitrag hat Ihnen einen guten ersten Einblick in die Bedeutung von Ausreißern in der Versuchsplanung gegeben. Sollten Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen, freue ich mich auf Ihre Kommentare und Anregungen.

    Immer wieder erhalte ich positives Feedback von Lesern, die meinen Enthusiasmus für DoE teilen und schätzen, dass ich mein Wissen mit der Welt teile. Was ursprünglich als Wunsch begann, meinen Studenten den Zugang zu DoE zu erleichtern, hat sich zu einer Leidenschaft entwickelt, die ich gerne mit anderen Interessierten teile. Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich, wenn Sie ihn teilen und liken – denn Wissen ist die einzige Ressource, die durch Teilen nicht weniger wird, sondern wächst.

    Bis zum nächsten Mal, Ihr DoE-Experte

    Stefan Moser

    Erfahrungen & Bewertungen zu Stefan Moser Process Optimization